Das CSEM testet einen speziellen Laser, der von der NASA für die Mission «Laser Interferometer Space Antenna» (LISA) entwickelt wurde. Unter der Leitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA soll LISA Gravitationswellen im Weltraum detektieren und neue Erkenntnisse über die Struktur Schwarzer Löcher und die Entstehung des Universums liefern. Die drei dafür erforderlichen Raumsonden sollen im Jahr 2034 ins All geschickt werden.
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Gravitationswellen liefern entscheidende Informationen zu Geschichte und Aufbau unseres Universums. Sie entstehen bei grossen astrophysikalischen Ereignissen, wie beispielsweise der Kollision oder Verschmelzung von Schwarzen Löchern, und sind so stark, dass sie Verzerrungen der Raumzeit erzeugen. Bereits vor über hundert Jahren postulierte Albert Einstein die Existenz von Gravitationswellen. Diese wollen die Astrophysikerinnen und ¿physiker nun messen, um den Ursprung unseres Universums (den Urknall) sowie die Schwarzen Löcher, Sterne und Galaxien, aus denen es besteht, besser zu verstehen.
Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen erfolgte 2015 mithilfe zweier riesiger Interferometer-Gravitationswellen-Observatorien (siehe Kasten). Die Grösse dieser Einrichtung sowie seismische Erschütterungen setzen den Forschungsmöglichkeiten jedoch Grenzen.
Um solche äusseren Störeinflüsse auszuschalten, werden die Gravitationswellen bei der Mission LISA direkt im All gemessen. Dazu werden drei Raumsonden eingesetzt, die in Form eines gleichseitigen Dreiecks mit einer Seitenlänge von 2,5 Millionen Kilometern angeordnet sind. Damit ist das Interferometer mehrere hundert Mal grösser als die Erde. Als erste für die Detektion von Gravitationswellen konzipierte Weltraummission stösst LISA die Tür zu einem völlig neuen Forschungsgebiet auf. Durch die Kombination der erfassten Gravitationswellendaten mit denjenigen der elektromagnetischen Wellen (Röntgen-, UV- und IR-Wellen sowie Licht- und Radiowellen) können kosmische Ereignisse auf völlig neue Weise identifiziert und beschrieben werden.
Die ESA arbeitet eng mit internationalen Partnern zusammen, darunter auch mit der NASA, deren auf diese Mission zugeschnittenen Infrarotlaser hinsichtlich Stabilität neue Grenzen setzt (siehe die NASA-Pressemitteilung). Für die messtechnische Unterstützung wählte die ESA das CSEM, weil es über viel Erfahrung in der Weltraumforschung sowie ein umfassendes Know-how auf dem Gebiet der ultrastabilen Laser verfügt. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Frequenz- und Leistungsstabilität der NASA-Laser zu testen, um sicherzustellen, dass diese die anspruchsvollen Spezifikationen der LISA-Mission erfüllen.
«Wir haben speziell für LISA ein unterirdisches Labor eingerichtet, um externe Störungen, wie Vibrationen und Temperaturschwankungen, zu minimieren», sagt Lauriane Karlen, Ingenieurin am CSEM. «Wir planen, die Frequenzstabilität des NASA-Lasers mit den Resultaten unserer resonatorstabilisierten Referenzlaser zu vergleichen.»
Dieser Testschritt ist von entscheidender Bedeutung, denn die Signale der Gravitationswellen sind äusserst schwach. Im Weltall muss LISA Bewegungen in der Grössenordnung eines Pikometers (kleiner als ein Atom) über eine Entfernung von 2,5 Millionen Kilometer erfassen. Die Mission wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Instrumente ausserordentlich genau und die Laser – die für die Messungen entscheidend sind – ultrastabil sind.
«Die NASA hat bemerkenswerte Fortschritte gemacht und ein extrem stabiles Konstruktionsmodell für ein Lasersystem entwickelt, das bahnbrechende weltraumgestützte Gravitationswellenmessungen ermöglichen wird. Wir gehen davon aus, dass die am CSEM durchzuführenden Tests und Analysen weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Modells aufzeigen werden», sagt Terence Doiron, NASA LISA Study Manager.
Zeitplan der Mission
Der Start von LISA ist für das Jahr 2034 geplant. Die drei Raumsonden werden der Erde in einem Abstand von ca. 50 Millionen Kilometer auf ihrer Bahn um die Sonne folgen. Jede Raumsonde sendet und empfängt gleichzeitig Laserstrahlen zu bzw. von den anderen beiden Sonden. Da Gravitationswellen die Raumzeit verzerren, verändern sich die Abstände zwischen den frei in den Raumsonden schwebenden Massen, wenn eine Welle hindurchläuft. Diese äusserst geringfügigen Abstandsveränderungen werden von den Lasern erkannt und gemessen.
«Wenn die Mission LISA erfolgreich ist, wird sie unser astrophysikalisches Wissen stark bereichern», sagt Fabien Droz, Head of Instrumentation am CSEM. «Wir werden die ersten Augenblicke der Kataklysmen in unserem Universum beobachten können. Es ist uns eine Ehre, an dieser bedeutenden Mission mitzuwirken.
Die Gravitationswellen sind ein zentrales Element von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die besagt, dass alle beschleunigten Massen solche Wellen erzeugen. Im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen wie Licht und Funkwellen werden Gravitationswellen von der Materie kaum beeinflusst, so dass sie sich über weite Distanzen ungestört ausbreiten können. Für die Forschung besteht ein weiterer Vorteil der Gravitationswellen darin, dass sie zur Untersuchung von kosmischen Objekten genutzt werden können, die keine elektromagnetischen Wellen aussenden, ein Beispiel dafür sind die Schwarzen Löcher.
Gravitationswellen wurden erstmals 2015 mit den LIGO-Observatorien nachgewiesen (siehe Kasten). Die Entdeckung, die von den beiden Tausende von Kilometern voneinander entfernten Stationen gleichzeitig gemacht wurde, weist darauf hin, dass die Wellen vor etwa 1,3 Milliarden Jahren durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher entstanden sind.
2017 wurde der Nobelpreis für Physik an drei Physiker für ihre Pionierarbeit bei der experimentellen Beobachtung von Gravitationswellen verliehen.
Die Mission LISA soll einige zentrale Fragen der Astrophysik beantworten.
Zum Beispiel
Supermassereiche Schwarze Löcher. Wann sind die ersten Schwarzen Löcher entstanden? Wie entstehen die Schwarzen Löcher in galaktischen Nuklei? Wie entwickeln sich Schwarze Löcher im Laufe der kosmischen Zeit?
Gravitation. Was ist die Gravitation? Wie breitet sich die Gravitationsinformation aus? Welche Struktur hat die Raumzeit? Enthält die Raumzeit Horizonte?
Doppelsterne. Wie ist die Milchstrasse aufgebaut? Wie viele ultrakompakte Doppelsterne gibt es in der Milchstrasse?
Der Ursprung des Universums. LISA wird drei Hauptperioden der kosmischen Entwicklungsgeschichte untersuchen: die «kosmische Morgendämmerung», als das Universum nur einige hundert Millionen Jahre alt war und die ersten Sterne, Schwarzen Löcher und galaktischen Scheiben entstanden; der «kosmische Mittag», eine Periode der für Galaxien kritischen Transformation, in der die Sternentstehung ihren Höhepunkt erreichte; und der «kosmische Nachmittag», unsere heutige Zeit, in der die Sternentstehung zurückgeht und sich die Entwicklung verlangsamt.